Ungarnfahrt Dezember 2005

Ende Dezember ging ein Transport nach Budapest, mit dem ca. 1,1 t Hilfsgüter verbracht wurden. Diese Hilfsgüter (Futter, Medikamente, Decken, Leinen, Halsbänder etc.) wurden in Budapest bei einem Mitglied des DRH-Teams sicher eingelagert und werden nun Zug um Zug an bedürftige "Tierheime" verteilt, da die Zuwegungen um diese Jahreszeit aufgrund der schlechten Wetterverhältnisse für den Transporter unpassierbar waren.

Die erste Fuhre (ca. 200 kg Futter) wurde mit einem kleinen Geländewagen bereits in meiner Anwesenheit zum "Tierheim" in Paks (nicht zu verwechseln mit Pecs) gebracht. Die nächsten Fuhren gehen ebenfalls nach Paks, bzw. an ein weiteres "Tierheim" in Érd. Wir sind noch ein zweites "Tierheim" angefahren in Öcsa (hier starb der erste Dobi, der uns im August 2004 aus Ungarn gemeldet wurde, sein Name war "Sipos"), dort wurden wir jedoch schroff abgewiesen und wir haben mehr oder weniger sehen können warum: es ist eine Hölle für Hunde und für jede andere Kreatur auch. Wir mussten unverrichteter Dinge weiterziehen. Helfen durften wir nicht.

Die Medikamente werden momentan alle katalogisiert und gehen dann mit einer Liste zusammen mit dem Großteil der Decken an den leitenden Veterinär des Budapester Auffanglagers für Hunde (es ist ebenfalls eine Einrichtung, die man mit "Tötungsstation" bezeichnet) im 20. Bezirk von Budapest, auch "Illatos" genannt. Die Medikamente werden dort dringend für die kranken Hunde benötigt, denn entgegen der landläufigen Meinung, dies sei ein "Hundeschlachthof", wird sich dort den Umständen entsprechend um die Hunde bemüht und was ein großer Fortschritt ist: die Hunde werden mittlerweile direkt nach der Einlieferung (mindestens gegen Tollwut, teilweise auch bereits 5-fach) geimpft, um den Infektionsdruck abzubauen. Die Kosten, die durch Medikamentspenden eingespart werden, können für Impfungen ausgegeben werden. Auch die Decken sind dringend nötig für die Krankenstation.

Dort hat sich also etwas zum positiven getan und auch Hunde, die evtl. Chancen haben, werden bei weitem nicht sofort nach Ablauf der 14-Tages-Frist getötet. Ich habe schon Hunde gesehen, denen eine Chance über 3 Monate eingeräumt wurde und das ist bei einem jährlichen Aufkommen von über 5000 Hunden keine Selbstverständlichkeit. Es wurde auch erreicht, daß verletzte oder schwer kranke Hunde unterhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Frist unter Eigentumsvorbehalt herausgegeben wurden, damit sie in einer Klinik behandelt werden konnten. Das sind - gemessen an der Gesamtsituation- bereits gute Fortschritte.

Meine persönlichen Eindrücke

Am 26.12.2005 um 5:30 Uhr ging es an den Start, bereits um 16:30 Uhr abends war ich in Budapest. Die Fahrt verlief ohne Zwischenfälle. Wir haben den Transporter noch am Abend abgeladen, damit das Gewicht von den Reifen kam. Dann, nach einem kleinen Imbiss bei den Kollegen ab in eine kleine Pension.

Der 28.12.2005 wurde überwiegend dazu benötigt, diejenigen (4) Hunde, welche mit auf die Rückfahrt gehen sollten und seit Wochen in einer Hundepension untergebracht waren nochmals in Augenschein zu nehmen und den alten Homer zur Sicherheit erneut in der Tierklinik vorzustellen. Es war alles in Ordnung, die Papiere waren allesamt vollständig und korrekt – die Hunde wurden für gesund und reisefähig befunden.

Am 27.12.2005 sind wir um 9:00 Uhr nach Öcsa gestartet, die Fahrt ging durch ein Waldgebiet, der Weg war völlig aufgeweicht. Die Betreiber haben uns zunächst nicht empfangen wollen (obwohl sie telefonisch unterrichtet wurden) und uns das Fotografieren strikt verboten. Nach kurzer Diskussion durfte ich wenigstens einen kleinen Teil der Hunde sehen: sie lebten in Schlamm, Kot und halb gefrorenen Futterresten (Knochen) unter Bedingungen, die unbeschreiblich sind. Ich sah eine hochträchtige Vizslahündin, deren Welpen nicht den Ansatz einer Chance haben werden - sofern sie selbst überhaupt bis zu Geburt überlebt (s.Anmerkung am Ende des Berichtes). Ich habe die Schreie von Hunden gehört, zu denen wir aber nicht vorgelassen wurden. Ein Ort des Grauens. Dass Sipos hier sterben musste, war mir nun klar. Sein Tod wurde übrigens für mich persönlich zum Antrieb, diesen Hunden mit zu helfen.

Wir fuhren weiter nach Paks. Von weitem konnte man sehen, dass dies kein kleines "Tierheim" ist. Der Begriff steht deswegen in Anführungszeichen, weil es sich lediglich um die Unterbringung von Hunden in Gehegen handelt. Insgesamt befinden sich dort etwa 350 - 400 Hunde, genau weiß das niemand. Die Tiere sind in großen Gruppen untergebracht, es kommt immer wieder zu ernsthaften Auseinandersetzungen - besonders dann, wenn es um menschliche Aufmerksamkeit geht. Die Bedingungen hier sind etwas besser als in Öcsa, wenngleich nahezu alle Hunde dort chancenlos sind. Viele haben resigniert und sich mit ihrem traurigen Schicksal abgefunden. Das erste Futter wurde abgeladen und für die kranken oder schwächeren Hunde beiseite gelegt.

Es gibt zwar bereits einen Tierschutzverein in Deutschland, der dieses Tierheim unterstützt - dies scheint jedoch nur der Tropfen auf den heißen Stein zu sein. Es bleibt zu hoffen, daß sich das in naher Zukunft zum Positiven ändert.

Während wir dort waren, ging das Handy und uns wurde ein weiterer Dobi-Notfall gemeldet von deutschen Kollegen, die zufällig auch gerade in Ungarn waren. Wir waren sofort unterwegs, brauchten aber etwa 1,5 Stunden dorthin. Wir fanden eine kleine Hündin in einem Zwinger vor, sie bekam kaum noch Luft und war völlig entkräftet. Es hieß, sie habe ausgeprägten Zwingerhusten. Wir luden sie in der Dunkelheit ins Auto, packten sie dick in Decken ein und ich fuhr auf der Ladefläche mit der Kleinen mit - die Fahrt ging auf direktem Wege nach Budapest in eine Tierklinik, der wir unser Kommen von unterwegs aus anvisierten.

Als ich aus dem Auto stieg, konnte ich im Licht erst erkennen, was ihr Problem war: Staupe (auch der Geruch ist unverwechselbar). Ihr quoll der zähe Schleim aus der Nase, meine helle Jacke war durchfärbt von einer Mischung aus Blut und Sekret. Ihre Lungen waren fast komplett zu. Der Tierarzt konnte sie anschließend nur noch erlösen, denn mit knapp 17 Kilo und deutlicher Untertemperatur war sie für diesen Kampf bereits zu schwach. Ihr Name war "Nina" und ihr Tod hat mich mitten ins Herz getroffen - sie hatte mir vertraut und sich während der Fahrt buchstäblich in mich hineingekuschelt, doch man konnte nichts mehr für sie tun – Nina starb mir unter den Händen weg. Wenigstens ist sie nicht einsam im Tierheim verendet und hatte viele streichelnde Hände um sich herum. Das war der einzige bittere Trost.

Alles, womit die Hündin in Berührung gekommen war, musste sorgfältig desinfiziert werden, meine Kleidung konnte ich nur noch in Plastikbeuteln entsorgen und die Decken wurden verbrannt. Geschlafen habe ich in dieser Nacht nicht.

Am 29.12.2005 wurde morgens der Transporter für die Rückfahrt präpariert, die Boxen wurden vorbereitet und alles, was zu einer komfortablen Reise dazugehört. Gegen Mittag bin ich zurück in die Pension, um wenigstens einige Stunden vor Abreise noch zu schlafen, denn Nachtfahrten sind bekanntermaßen anstrengend. Um 18:00 Uhr haben wir mit dem Einladen begonnen und um punkt 19:00 Uhr ging ich planmäßig auf die Rückreise. Die Fahrt nach Hause verlief ebenfalls ohne Komplikationen und morgens um 06:00 Uhr trafen wir in heimischen Gefilden ein.

Link zum Fotoalbum dieser Ungarnfahrt >>>>

Sabine Winklmann, Dezember 2005

Nachtrag: Einige Zeit später erfuhr ich von Kollegen, denen ich die Viszalhündin aus Öcsa  "gemeldet" hatte, daß sie gar nicht trächtig gewesen war. Sie hatte einen ballgroßen Tumor und diesen nicht überlebt.